Sonderausstellung „Flachsig und Haarig – Fäden der Erinnerung“ Zeitgenössische Kunst im Museum Neukirchen-Vluyn vom 22. Mai bis 16. Oktober 2022

22.05.2022

Sonderausstellung „Flachsig und Haarig – Fäden der Erinnerung“

Zeitgenössische Kunst im Museum Neukirchen-Vluyn vom 22. Mai bis 16. Oktober 2022

 

Die Künstlerinnen der Ausstellung sind: Barbara Beisinghoff, Hiltje Talsma, Zahra Hassanabadi, Bettina Zachow und als Künstlerinnen der Gruppe tx o2 Marianne Herbrich, Mechthild Jülicher, Luise Kerstan, Susanne Klinke, Ulrike Lindner, Birgit Reinken.

Humorvoll und hintergründig, flachsig und haarig, auf spannende Weise begegnen sich Objekte zeitgenössischer Künstlerinnen und historische Exponate des Museums. Flachs, Leinen, recycelte Stoffe oder auch Haare sind Materialen des Alltags, die die Künstlerinnen
in überraschende und poetische Kunstobjekte verwandeln.

Die Ausstellung in Kooperation mit dem Museum Neukirchen-Vluyn ist Teil des Projektes "Land der Flunen - Fäden der Vergangenheit", das sich den prägenden Elementen der Stadtgeschichte Wasser und Textilgeschichte widmet. Die Kuratorin Ariane Hackstein hat Künstlerinnen eingeladen in einen Dialog mit der Textilgeschichte und den Exponaten der Dauerausstellung im Museum zu treten.

Flachs vom Anbau bis zur Nutzung ist ein Thema, das Barbara Beisinghoff seit vielen Jahren beschäftigt. Die international tätige Künstlerin beleuchtet Flachs aus handwerklichen und poetischen Perspektiven. Ihre Recherchen verarbeitet sie in zwei außergewöhnlichen Künstlerbüchern „Tau Blau“ und „Blues“ und in weiteren Papierarbeiten. „Flachspapier ist hart und reißfest und zugleich zart mit seidiger Oberfläche“ sagt die Künstlerin und betitelt ein Papierobjekt mit “Zartes leistet Widerstand“. „Nachhaltigkeit und Würde beweisen Kleidungsstücke aus Leinen“, so beschreibt Barbara Beisinghoff ihre Begeisterung für das zeitlose Material.  Eine feine Besonderheit ist das kleine Buchobjekt von Hiltje Talsma. In einem Bucheinband aus Porzellan mit Abdrücken von Flachsblüten hat sie verschiedene, handgeschöpfte Flachspapierproben eingebunden. Dieses Thema ist eine Hommage an den Flachs, der in der Textilgeschichte des Stadtteils Vluyn eine bedeutende Rolle spielte und zukünftig ein Comeback feiern könnte.

Die aus dem Iran stammende Künstlerin Zahra Hassanabadi schaut mit fragendem Blick auf unsere heutige Textilindustrie. In ihrer Serie „Konsomanie“ reflektiert sie Markensucht und Billigproduktion, die der Wertschätzung von Kleidung früherer Zeiten entgegensteht. In ihrer zur Ausstellung geschaffenen Serie „Fäden der Erinnerung“ schafft sie abstrakte Skulpturen aus abgelegten Textilien.

Haare sind Fäden ganz besonderer Art. Sie wärmen, schützen und schmücken unseren Körper. Die Frisur unterstreicht unsere Individualität und dient unserer Schönheit. Wir gehen zum Frisör, um schön zu sein. Doch oft löst nur ein einzelnes Haar am falschen Platz unangenehme Gefühle aus. Diese Ambivalenz der Emotionen inspiriert die Essener Künstlerin Bettina Zachow. Haare sind seit langem das Hauptmaterial ihrer künstlerischen Arbeit. Sie verknotet Haare zu filigranen Objekten, zu leiblichen Hüllen und feinen Kostbarkeiten. Mit „Zopf und Zopfetui“ legt sie einen kostbaren abgeschnittenen Zopf neben eine filigran geknüpfte Hülle. Alte Zöpfe und leere Hüllen, Zartes und Starkes, Körperliches und Geistiges … viele Gedanken werden geweckt.

Susanne Klinke aus dem sauerländischen Meschede verarbeitet Haare und textile Materialien zu provokanten erotischen Objekten ganz eigener Art. Ihre Arbeit „Scham“ mit künstlichem Haar gestickt auf Unterwäsche entfacht im Dialog mit dem historischen Kastenbett und ein lebendiges Wechselbad der Gefühle.

Gewebe, Wolle, Stoffe verschiedenster Art und Stickerei prägen die Arbeiten der Gruppe tx o2, die seit vielen Jahren international und national ausstellen und bevorzugt im Dialog mit historischen Kulturgütern arbeiten. Mit ihren Werken loten sie die vielfältigen Möglichkeiten des textilen Arbeitens aus, sticken, nähen, knoten, wickeln Objekte aus alltäglichen, meist recycelten Materialien. Birgit Reinken batikt Spruchbänder mit alltäglichen Aussprüchen und installiert „Einseitige Dialoge“ im ehemaligen Kolonialwarenladen. Im Kontext mit der Arbeitskleidung des 19. Jahrhunderts stehen Arbeiten von Ulrike Lindner, Marianne Herbrich und „Flashback“, ein großer Behang von Birgit Reinken, der die globalisierte Jeansproduktion kritisch hinterfragt. Die poppig kuriosen Festtagsfrisuren von Luise Kerstan erscheinen als neues Angebot im historischen Frisörsalon. Viele Fragen wirft der farbige Kaffeestuhl von Mechthild Jülicher aus recyceltem und vernähtem Aluminium auf, der mit der alten Dröppelminna in der Kaffeerösterei Jans wetteifert. Und nicht zuletzt sind auch im Kontext der Kirchengeschichte eindrückliche Textilarbeiten zu finden.

Die Ausstellung ist eine Entdeckungsreise und knüpft unerwartete Beziehungen.  Die Transformationen und Irritationen werfen Schlaglichter auf Dinge und Handlungen von Gestern, Heute und Morgen. Dabei laden die künstlerischen Objekte zugleich zum Schmunzeln und Nachdenken ein. Lassen Sie sich überraschen.

 

Hintergrund:

Das Projekt "Land der Flunen - Fäden der Vergangenheit" wurde 2021 mit der Installation von fünf Kunstinstallationen im Landschaftraum begonnen. Pandemiebedingt wurde die Dialog-Ausstellung im Museum sowie die Realisierung weiterer Kunstinstallationen im Stadtraum auf 2022 verschoben, die am Abend des 25. Juni eingeweiht werden.
Am großen Rathausfenster entsteht „Flunen“, eine Gewässergrafik von Sabine Schellhorn. Am Haldenhaus auf der Halde Norddeutschland installiert Jens J. Meyer eine „Kathedrale des Windes“.

 

 

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