„Haar“genaues Handwerk

10.05.2021

Im Ortsgeschichtlichen Museum gibt es einen abgetrennten Raum. Wenn man den Vorhang beiseite schiebt, steht man in einem Friseursalon - mit Schaufenster, Inventar, Möblierung, Tapete, Parfümerie, alles originalge-treu eingerichtet. Auf der Schaufensterscheibe kann man lesen:
 
„Damen und Herren - Salon & Parfümerie Rudolf Kühn“
 
 
Rudolf Kühn und seine Frau Adele führten den Salon von 1952 bis 1987 auf der Feldstraße in Vluyn und vermachten die Einrichtung später dem Museum.
 
Die Berufsbezeichnung Friseur (frisieren heißt üersetzt kräuseln) hatte sich erst zu Ende des 19. Jahrhunderts eingebürgert. Für die Pflege von Kopf- und Barthaar waren jahrhundertelang Bader bzw. Barbiere - ausschließlich Männer - zuständig gewesen.
Barbiere besorgten allerdings seit dem Mittelalter auch andere Aufgaben wie Aderlassen, Zahnziehen, Starstechen am Auge und Wundbehandlun-gen. Dies galt solange, bis durch die Fortschritte in der Medizin eine Spezi-alisierung notwendig wurde und sich z.B. Zahn- und Augenheilkunde als eigenständige Berufe herausbildeten. Auch der Friseurberuf verselbständigte sich.
 
In der textilgeschichtlichen Abteilung des Museums ist ein Großfoto von Vluyner Fabrikantenfrauen zu sehen. Es stammt aus der Zeit um 1910. Wer die Damen frisiert hat, wissen wir nicht. Vielleicht kam ein Friseur in ihr Haus, da es Friseursalons noch nicht gab. Diese entwickelten sich erst nach dem Ersten Weltkrieg.
 
In Neukirchen-Vluyn sind Friseursalons für Damen und Herren für die 1930er Jahren nachgewiesen, (Gossens auf der Niederrheinallee und Fitzner auf der Fürmannstraße). Seit den 50er Jahren ist ihre Zahl erheblich gestiegen, dazu gehörte auch der Salon Kühn.
 
Inzwischen hat sich einiges geändert, wie Friseurmeister Herbert van Baal berichtet, der seit 20 Jahren den Friseursalon in der Alten Kolonie am Bendschenweg leitet: Durch Vorhänge oder Trennwände abgeteilte Bedienungsplätze findet man kaum noch, ebenso hat sich die Zahl der Trocken-hauben für Dauerwellen verringert. Damenhaar wird nur noch selten mit Wicklern eingedreht, sondern meist gefönt, es soll pflegeleicht sein Hin und wieder wünscht sich eine Kundin allerdings eine aufwändige Frisur. [...]
Bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde der Friseurberuf nur von Männern ausgeübt. Erst allmählich gab es auch Friseurinnen. Heute liegt ihr Anteil bei etwa 80%. Im Salon von Herrn van Baal arbeiten ausschließlich Frauen.
 
Renate Krömer, die jahrelang am Bendschenweg wie auch in anderen Neukirchen-Vluyner Salons als Friseurin gearbeitet hat, erinnert sich. „Schon Ende der sechziger Jahre machten hauptsächlich Mädchen die Ausbildung zum Friseurberuf. Manche gingen nach der Lehre lieber in eine Fabrik, da verdiente man doppelt so viel. Vom Gesellenlohn - ich bekam anfangs 375 DM ausbezahlt - konnte man kaum eine Miete bezahlen, ge-schweige denn eine Familie ernähren“.
Frau Kröner heiratete und arbeitete in Teilzeit, als ihre beiden Kinder klein waren, danach wieder in Vollzeit bis zur Rente. „Ich würde mich heute wieder für diesen Beruf entscheiden, es ist eine abwechslungsreiche Tätigkeit und man kommt viel in Kontakt mit Menschen.
 
(Artikel von Krista Horbrügger, OMMA 18, 2019)
 
 
(© Museumsarchiv Neukirchen-Vluyn)

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