Als die Postkutsche noch fuhr in Neukirchen-Vluyn
12.10.2021
Heinrich Jans war erster Postexpediteur und Kleinhändler zugleich, da das Jahresgehalt der Post von 40 Talern zum Leben nicht ausreichte. Zu seinen Dienstpflichten gehörte es: „ für ein gehörig-gesichertes Dienst-Local sowie eine anständig möblierte Passagierstube mit Beleuchtung und Heizung“ zu sorgen, sämtliche Schreibmaterialien, Licht und Miete selber zu zahlen sowie eine Kaution von 50 Talern zu hinterlegen, natürlich ohne Anspruch auf eine spätere Pension.
Die Berechnung der Briefgebühren war außerdem sehr umständlich und zeitraubend, da sie nach Entfernung und Gewicht erfolgte. Die Briefe bestanden zu der Zeit nur aus einem einseitig beschriebenen Bogen, der nach einem bestimmten Schema sorgfältig gefaltet wurde, um dann mit Siegellack gesichert zu werden. Das vom Empfänger zu zahlende Porto wurde darauf in blauer Schrift vermerkt. Nach einem „Meilenanzeiger“ der Post kostete ein Brief bis 30 Meilen 5 Silbergroschen (1 Taler = 30 Silbergroschen), wenn er nicht schwerer war als ¾ Lot (1 Lot= 16 Gramm). Erste Briefmarken wurden erst am 15.11.1850 herausgegeben und das uns vertraute Dezimalsystem galt erst ab 1868.
Daneben war der Posthalter auch für die Abfertigung der Postkutsche verantwortlich. Die Streckenlänge der Linie Moers-Vluyn betrug 1 ¾ Meile, die einspännige Kutsche benötigte dafür zwei Stunden. Nach der anstrengenden Reise konnten sich die Gäste in seiner Passagierstube oder seinem renommierten „Gasthof zur Post“ erholen, wo es auch Gästezimmer für Übernachtungen gab. In einem Nebengebäude wurden die Pferde versorgt.
Ende der 1880er Jahre hatte sich das Postaufkommen in Vluyn derartig gesteigert, dass eine Abwicklung der Postgeschäfte von Fachbeamten erledigt werden musste. Der Kaufmann Gerhard Samanns errichtete für die Post 1888 an der heutigen Niederrheinallee 320 neben seinem Geschäftshaus ein neues Mietpostgebäude.
Bereits im Frühjahr 1847 wurde eine zweispännige, sechssitzige Personenpost zwischen Moers bzw. Ruhrort und Aldekerk mit den Zwischenstationen Neukirchen-Bürgermeisteramt, Vluyn-Post und Schaephuysen eingerichtet.
Ihre Briefpost erhielten die Bewohner Neukirchens ab 1865 durch Landbriefträger vom Postamt Moers.
Neues Postgebäude in Vluyn, 1888
Die Einrichtung einer eigenständigen Postagentur erfolgte am 1.5.1886 in dem von Johann Heintges (1853-1934) wahrscheinlich um 1885/86 an der Provinzialstraße, neben seiner Gastwirtschaft, neu erbauten Haus, das er an die Post vermietete. Das kaiserliche Wappen ziert noch heute über dem ersten Stock die Fassade. Der erste Postagent in Neukirchen wurde Jakob Averdonk. Er übernahm zunächst den Zustelldienst für Neukirchen, der von der Dong bis Laßfonderfeld reichte. Die Postagentur unterstand dem Postamt in Vluyn, das mehrmals täglich das Neukirchener Postgut anlieferte. Von 1908 bis 1981 wurde dann aufgrund erhöhten Postaufkommens ein neu errichtetes Mietpostgebäude an der Andreas-Bräm-Str. 8 genutzt.
Jakob Averdonk war es auch, der am 22.3.1872 die heute als Naturdenkmal ausgewiesene Friedenseiche pflanzte neben der von seinem Vater Peter 1848 gegründeten Gastwirtschaft. 1863 wurde dort für Neukirchen offiziell eine Haltestelle für die Postkutsche von Moers nach Aldekerk eingerichtet.
Die Postkutschenzeit in Neukirchen und Vluyn ging mit der Inbetriebnahme der neuen Bahnlinie Moers – Kleve zu Ende. Ab 1910 übernahm die Moerser Kreisbahn die Abwicklung des Postverkehrs.
Autorin: Jutta Lubkowski
Copyright: Museumsarchiv Neukirchen-Vluyn